Systemische Aufstellungen im Führungscoaching
Innere Bildersicht- und bearbeitbar machen
Unsere inneren Bilder organisieren unser Denken, unser Fühlen und unser Handeln. Meist sind uns diese inneren Bilder nicht bewusst und dennoch bestimmen sie weitgehend, wie wir eine Situation einschätzen und wie wir uns in der Situation verhalten.
Systemische Aufstellungen machen diese inneren Bilder sichtbar, in dem sie im Aussen dargestellt werden. Dabei geht es nicht um die Frage, ob das dargestellte Bild der Wirklichkeit entspricht. Es ist ein Abbild dessen, wie die Situation von der Kundin oder vom Kunden gesehen und erlebt wird. Durch das Externalisieren wird die Dynamik des inneren Bildes sichtbar, erlebbar und damit auch bearbeitbar. Es wäre naiv zu glauben, dass sich die Realität nach einer systemischen Aufstellung dem entwickelten Lösungsbild anpasst. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die Kundin oder der Kunde sein eigenes Verhalten verändert, wenn sich ihr oder sein inneres Bild verändert hat. Und da wir mit unserem Verhalten immer auch Einfluss auf das Verhalten unserer Interaktionspartner nehmen, verändert sich indirekt auch die Situation im Aussen. Nicht im Sinne eines Wunders, sondern als Antwort auf die eigene Verhaltensänderung.
Beispiel aus dem Führungscoaching
Frau S. leitet ein Team von Schulsozialarbeiter/innen. Institutionell ist das Team bei den sozialen Diensten eines Gemeindeverbundes angesiedelt. Frau S. hat sich für ein Führungscoaching entschieden, weil sie sich davon mehr Klarheit in ihrer Rolle als Teamleiterin erhofft. Sie beschreibt die Situation im Team als anhaltend schwierig, kann aber nicht genau sagen, worin die Schwierigkeiten liegen. Die Teamsitzungen verlaufen ihrer Wahrnehmung nach ausserordentlich zäh und sie hat den Eindruck, dass die Aufmerksamkeit kaum mehr auf die Sachthemen gerichtet ist. Beim Zuhören taucht bei mir der Begriff «Eiertanz» auf und ich frage Frau S., ob sie mit diesem Bild etwas anfangen kann. Das kann sie sehr wohl und sie schildert, wie anstrengend die Leitungsaufgabe in den letzten Monaten für sie geworden ist. Es sei wohl auch für die Teammitglieder anstrengend. Jedenfalls hätten die krankheitsbedingten Absenzen zugenommen und das angespannte Klima wirke demotivierend. Nur könne sie beim besten Willen nicht sagen, was denn eigentlich das Problem sei.
Da meine bislang vorwiegend analytischen Fragen wenig dienlich sind, um das Phänomen besser zu verstehen, schlage ich ihr vor, die Situation in ihrem Team mit Figuren aufzustellen. Sie nimmt den Vorschlag an und hofft, auf diesem Weg zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.
Wo ist mein Platz als Führungsperson in diesem Team?
Dies ist die Frage, auf die sich Frau S. im Rahmen der Aufstellung eine Antwort erhofft. Wir überlegen gemeinsam, welche Elemente aufgestellt werden sollen, um eine Antwort auf die Fragen zu finden:
- Die Teamleiterin mit ihrer Fragestellung (Fokus)
- Die Teammitglieder (4 Frauen und 1 Mann)
- Der Vorgesetzte (Leiter soziale Dienste)
Frau S. stellt mit den ausgewählten Figuren ihr inneres Bild der Situation dar. Im Ausgangsbild zeigt sich, dass die Aufmerksamkeit der Teammitglieder auf eine Kollegin (rote Figur) gerichtet ist und die Teamleiterin (gelbe Figur) von ihren Mitarbeitenden kaum gesehen wird. Zwischen der Teamleiterin und der Mitarbeiterin im Zentrum manifestiert sich eine grosse Spannung, die auf die anderen Teammitglieder (blaue und grüne Figuren) lähmend wirkt. Der Vorgesetzte (weisse Figur) steht abgewendet rechts aussen am Rand.
Ausgangsbild
Lösungsbild
Durch verschiedene Umstellungen und andere Interventionen wird deutlich, dass ein wesentliches Element in der Aufstellung fehlt: Die gemeinsame Aufgabe. Sobald die gemeinsame Aufgabe hinzukommt, verändert sich die Dynamik unter den Teammitgliedern merklich. Der Teamleiterin wird klar, wo ihr Platz als Führungsperson in diesem Team ist. Sie verändert ihre Position so, dass sie alle Teammitglieder und die Aufgabe gut im Blick hat. Die Teammitglieder stehen in kleinen Untergruppen so, dass ihr Blick auf die Aufgabe gerichtet ist.
Die informelle Leaderin kann sich aus ihrer Rolle verabschieden, als sie merkt, dass die Teamleiterin die Führung zuverlässig übernimmt. Der Vorgesetzte wird so positioniert, dass er stärkend auf das Team und auf die Teamleiterin wirkt. Es wird ein Lösungsbild gefunden, bei dem alle Systemelemente einen Zuwachs an Kraft in ihrer neuen Position verzeichnen können.
Nachbesprechung
In der Nachbesprechung kann die symbolische Erfahrung eingeordnet werden. Frau S. wird klar, dass sie mit einer Mitarbeiterin einen verdeckten Machtkampf ausficht, den schlussendlich niemand gewinnen kann. Dabei tauchen bei ihr auch biografische Assoziationen auf, die zwar angesprochen, aber nicht weiter bearbeitet werden. Frau S. sieht deutlich, dass sie ihre Aufmerksamkeit anders ausrichten muss, um ihre Führungsrolle auszufüllen und dass das Team auf eine klare und aufgabenbezogene Führung angewiesen ist. Wir vereinbaren, dass wir an der nächsten Coachingsitzung die aus der Aufstellung gewonnenen Erkenntnisse konkretisieren werden.
Nutzen für die Kundinnen und Kunden im Führungscoaching
Den generellen Nutzen von systemischen Aufstellungen zu beschreiben, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Aber aufgrund von Beobachtungen in der Beratungspraxis und Rückmeldungen von Kundinnen und Kunden lässt sich folgender Nutzen für das Führungscoaching beschreiben:
Systemische Aufstellungen sind hilfreich, um….
- schwer durchschaubare Phänomene im Führungsalltag besser zu verstehen.
- den systemischen Blicks auf komplexe Situationen zu schärfen.
- Wechselwirkungen in Bezug auf die eigene Führungsrolle bewusster wahrzunehmen.
- mehr Klarheit in Bezug auf das eigene Führungshandeln zu gewinnen.
Systemische Aufstellungen zeigen in der Einzelberatung eine hohe Wirkung. Allerdings hat die Wirkung weniger mit Wundern, als vielmehr mit tiefgehenden Lernerfahrungen der Kundinnen und Kunden zu tun.
Literatur zum Thema
- Berreth, Andrea (2009); Organisationsaufstellung und Management; Carl-Auer Verlag
- Bruch, Heike, Vogel, Bernd (2005); Organisationale Energie; Gabler Verlag
- Madelung, Eva; Innecken, Barbara (2003); Im Bilde sein: Vom kreativen Umgang mit Aufstellungen in Einzeltherapie, Beratung, Gruppen und Selbsthilfe; Carl-Auer Verlag
- Ruhnau, Erwin (Hrsg.) (2012): Systemsiche Aufstellungen in der Mediation; Concadora Verlag
- Weber, Gunthard (Hrsg.) (2000); Praxis der Organisationsaufstellungen: Grundlagen, Prinzipien, Anwendungsbereiche; Carl-Auer Verlag
- Zbinden, Reto (2012); Führung aus eigener Kraft: Die Entwicklung von Führungspersonen und Managern; Springer Gabler
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