Kreative Problemlösung im Team
Der Vorstand des Vereins Muster hat schon so lange über ein Problem nachgedacht, dass er überzeugt ist, auch heute keine Antworten zu finden. Oft verengt sich bei langem Nachdenken (grübeln) die Perspektive und es entsteht eine Art kognitive Kurzsichtigkeit. In dieser Situation ist es angezeigt, den Blick auf die Problemstellung zu erweitern, um neue Einsichten zu gewinnen. Eine moderierte Prozessgestaltung kann helfen, die Trampelpfade des bisherigen Denkens zu verlassen, um ins «Land der leichten Lösungen» zu gelangen.
Phase 1: Präparation
Im Gegensatz zu den rein lösungsorientierten Prozessmodellen, bekommt das Problem in diesem Modell verhältnismässig viel Aufmerksamkeit. Mehr als die Hälfte der Zeit wird investiert, um den Blick auf das Problem zu verändern und zu erweitern:
- Wie heisst das Problem genau, für das heute eine Lösung gefunden werden soll?
- Womit könnte es zu tun haben, dass bis jetzt keine Lösung gefunden wurde? Womit auch noch?
- Was passiert, wenn auch heute keine Lösung gefunden wird? Was daran wäre wirklich schlimm? Für wen?
- Wer hat welche expliziten oder impliziten Erwartungen an die Lösung? Inwiefern widersprechen sich die Erwartungen? Welche sind erfüllbar und welche nicht? Was passiert, wenn ein Teil der Erwartungen nicht erfüllt werden?
- Was sind unsere eigenen Ansprüche an die Lösung? Was wollen wir konkret damit bewirken?
Mit diesen oder ähnlichen Fragen kann in der Phase der Präparation das Denken gelockert werden. Meist liegen einer Blockade unausgesprochene und unerfüllbare Erwartungen zu Grunde, die einen unbemerkten Druck erzeugen und den Tunnelblick verstärken. Die Lockerung des Denkens wird unterstützt, wenn die Fragen nicht sitzend in der Runde, sondern in Bewegung an verschiedenen Orten im Raum bearbeitet werden. Bei der Auseinandersetzung mit Erwartungen lohnt es sich, nicht einfach über die vermuteten Erwartungen nachzudenken, sondern sich gedanklich und emotional in die Anspruchsgruppen hinein zu versetzen.
Phase 2: Inkubation
Die Inkubationsphase wird in der Kreativitätsforschung mit «ausbrüten» übersetzt. In dieser Phase wirkt angestrengtes Nachdenken eher hinderlich. Am besten ist es, sich abzulenken, sich etwas anderem zu widmen und Distanz zu gewinnen. Im kreativen Denkprozess mit Teams ist es am einfachsten, an dieser Stelle eine Pause zu machen, in der jegliche aktive Auseinandersetzung mit dem Problem untersagt ist. Es gilt, darauf zu vertrauen, dass die Präparation der ersten Phase im Untergrund weiter wirkt….
Phase 3: Illumination
Mit dem Einläuten der 3. Phase entsteht häufig eine gewisse Aufregung im Team:
- Was, wenn uns nichts einfällt?
- Woher sollen denn jetzt plötzlich die Ideen kommen?
Dieser dosierte Stress ist wichtig und sollte nicht abgewehrt werden. Er ist wie eine Art Lampenfieber vor einem Auftritt und sorgt dafür, dass die nötige Spannung aufgebaut wird. Als Moderatorin ist es hilfreich, auf die zu erwartenden Stresssymptome hinzuweisen und sie als dazugehörig und wichtig zu begrüssen. Gleichzeitig sollte methodisch ein Rahmen geschaffen werden, bei dem die Ideen jedes Teammitgliedes gefragt sind, gehört und aufgenommen werden. Dazu eignen sich je nach Thema und Gruppe verschiedene Kreativitätstechniken. In diesem Beispiel hat uns der „Brainwriting Pool“gute Dienste geleistet:
- Alle Teilnehmer sitzen um einen Tisch. (optimal sind Teams von 5 bis maximal 8 Personen)
- In der Mitte des Tisches wird ein Stapel leerer Poolkarten positioniert.
- Jeder Teilnehmer nimmt sich eine Poolkarte und notiert eine Idee.
- Anschließend reicht man die Karte seinem rechten Nachbarn, nimmt sich eine weitere Karte, notiert eine weitere Idee und reicht die Karte ebenfalls nach rechts weiter. Dies führt man nun für jede Idee aus.
- Vom Nachbarn erhaltene Karten werden kurz gelesen, ergänzt und wie eigene Karten weitergereicht.
- Erhält man eine seiner eigenen Karten zurück und möchte man diese nicht weiter ergänzen, so wandert sie in den Pool in der Mitte des Tisches.
Es ist immer wieder verblüffend, was in dieser Phase an neuen Ideen zusammen kommt. Und es ist wohltuend, dass es in der Regel keine Rolle spielt, von wem die Ideen stammen. Sie sind halt einfach im gemeinsamen Nachdenken entstanden…
Phase 4: Verifikation
Im letzten Schritt geht es darum, die entwickelten Ideen genauer zu prüfen, sie zu konkretisieren und sie in Bezug zu den in der ersten Phase formulierten Ansprüche zu setzen:
- Welche Ideen erfüllen die eingangs formulierten Ansprüche am besten?
- Mit welchen Ideen kann die angestrebte Wirkung am deutlichsten erzielt werden?
Obwohl in dieser Phase Ideen verglichen und abgewogen werden, erlebe ich selten, dass eine Konkurrenz unter den Teammitgliedern entsteht. Die Ideen sind gemeinsam gewachsen und werden gemeinsam aussortiert. So bleiben die überzeugendsten Ideen im Rennen und nicht diejenigen, der einflussreichsten Teammitglieder. Auch der Vorstand des Vereins Muster hat – entgegen den eigenen Erwartungen – innerhalb von 3 Stunden überzeugende Ideen entwickelt und wird diese im nächsten Schritt ohne externe Unterstützung weiter konkretisieren.
Literatur zum Thema
- Klaus Stanke (2011): Handlungsorientierte Kreativitätstechniken; trafo Wissenschaftsverlag
- Dietmar Zobel (2011): TRIZ FÜR ALLE. Der systematische Weg zum Problemlösen; 3. Auflage; Expert
- Dietmar Zobel (2009): Systematisches Erfinden. Methoden und Beispiele für den Praktiker; 5. Auflage; Expert
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