Verbundenheit trotz Isolation
Wir alle haben noch nie eine Situation erlebt, die der aktuellen auch nur ansatzweise ähnlich ist. Für uns alle gibt es Herausforderungen zu bewältigen, für die wir kein eingeübtes Repertoire haben, weil wir nicht auf diese Situation vorbereitet sind. Gleichzeitig waren wir uns wahrscheinlich noch selten so bewusst, wie vernetzt und allverbunden die Welt ist, in der wir leben.
Die Krise macht etwas mit uns
Die leer gehamsterten Regale und die Schutzmassnahmen in den Läden, das Fehlen von direkten Begegnungen, die eindringlichen Appelle, zu Hause zu bleiben: All das macht etwas mit uns. Auch wenn wir rational die Gefahr für uns und unsere Lieben als gering einschätzen, springt in uns ein Angstprogramm an, das uns in einen inneren Alarmzustand versetzt. Wir machen uns Sorgen um Risikopatienten, die uns nahe stehen oder um unsere wirtschaftliche Existenz. Diese Ängste sind auf eine konkrete und wohl auch reale Bedrohung ausgerichtet. Daneben gibt es aber auch die irrationalen Ängste, weil unsere Amygdala zu feuern beginnt, wenn wir eine Situation und ihre Folgen nicht einschätzen können. Die Angst verhält sich ebenfalls wie ein Virus: Sie ist ansteckend, verbreitet sich unbemerkt rasend schnell und schwächt unser individuelles und kollektives Immunsystem.
Es ist wichtig, dass wir uns unsere Ängste eingestehen, sie als eine normale Reaktion unserer Psyche verstehen, die nicht geleugnet und nicht bekämpft werden muss. Sie anzunehmen hilft uns, dass sie sich im Untergrund nicht verselbständigt, und dass wir sie nicht im Aussen ausagieren. Wir können sie – bildlich gesprochen – an der Hand nehmen, statt uns von ihr leiten zu lassen. Zur Zeit haben wir ein Übungsfeld für dieser Art der inneren Führung, das sich niemand von uns gewünscht hat. Trotzdem können wir es nutzen.
In der Krise zeigen sich die Licht- und Schattenseiten der Menschen in ihren Extremen
Es gehört zum Wesen von Krisen, dass wir zum schwarz-weiss Denken neigen, den Blick für die Zwischentöne und Nuancen verlieren und zu extremen Verhaltensweisen neigen. Die einen begegnen der Bedrohung nach wie vor mit Leugnung („Schlimmer als eine normale Grippe wird es auch nicht sein…; mich betrifft es ja nicht wirklich…“) und andere tätigen in ihrer Panik irrationale Hamsterkäufe oder erstarren innerlich und trauen sich kaum noch zu atmen. Es gibt aber auch die Lichtseiten: kreative Angebote entstehen quasi über Nacht, es werden Hilfsangebote aufgebaut und das Gesundheitspersonal leistet schier Übermenschliches. Bei diesen und zahlreichen anderen Beispielen zeigt sich die Lebenskraft, trotz widriger Umstände.
Wirkung von Informationen
Wie halten Sie es in dieser Situation mit dem Konsum von aktuellen Informationen? Gehören Sie zu den Menschen, die aus Selbstschutz die Schoten dicht machen oder konsumieren Sie blind jeden Zipfel an Information, der vermeintlich zur Bewältigung der Situation beiträgt? Natürlich müssen wir informiert sein, um verantwortlich handeln zu können. Und wenn wir in einer Führungsposition sind, müssen wir uns auch breit informieren und die Informationen abwägen, um mit Besonnenheit entscheiden zu können. Beides setzt aber einen bewussten Umgang mit dem vorhandenen Überangebot an Informationen voraus. Bewusstheit meint in diesem Zusammenhang, achtsam zu beobachten, was die Information bei uns bewirkt und mit welchem Motiv sie vermutlich verbreitet wurde:
- Wie reagiere ich innerlich auf all die Artikel, Videos, Forscheraussagen, Virologenmeinungen, Erfahrungsberichte und Verschwörungstheorien?
- Helfen sie mir, mich eigenverantwortlich zu verhalten, Führungsentscheidungen mit Besonnenheit abzuwägen oder schüren sie meine innere Panik und begünstigen die Hysterie?
- Mit welchem Motiv sind die Informationen verfasst? Dienen Sie der notwenigen Aufklärung oder spielen sie die Sensationsmelodie und heischen nach Klick Zahlen?
Auch die Art, wie wir in unserem Umfeld Informationen verbreiten, hat einen Einfluss darauf, ob der Virus Angst sich weiter verbreitet oder ob er zu Gunsten des Vertrauens eingedämmt werden kann. Wir können uns an unseren Bundesrät/innen ein Vorbild nehmen. Sie wägen ihre Botschaften ab, benennen den Ernst der Lage, verzichten auf Bagatellisierung, aber auch auf das Schüren von Panik. Sie betonen Werte wie Vertrauen, Solidarität und Eigenverantwortung. Es ist hilfreich, wenn wir das auch in unserer Kommunikation im direkten Umfeld oder mit unseren Mitarbeitenden beherzigen, denn auch wir haben mit jeder Handlung Einfluss auf die psychosoziale Gesundheit unserer Umgebung. Dabei kann bekanntlich auch der Humor eine wichtige Rolle spielen, wie die vielen spontan entstandenen Cartoons und Clips bezeugen, die uns zum Schmunzeln bringen.
Verbunden bleiben
Im Gegensatz zu persönlichen Krisen, in denen wir uns oft von der Mitwelt abgeschnitten fühlen, kann die kollektive Krise das Bewusstsein schärfen, dass wir in dieser ausserordentlichen Situation alle im selben Boot sitzen. Jegliche Formen von Egoismus weisen uns auf die Illusion hin, dass wir uns auf Kosten von anderen schützen könnten. Die psychischen und wohl auch die wirtschaftlichen Langzeitfolgen dieser Krise werden sehr davon abhängen, ob es uns gelingt, trotz räumlicher Isolation unsere Verbundenheit aufrecht zu erhalten. Gemeint ist damit das innere Gefühl der Verbundenheit, das solidarische Handeln und der konkrete Kontakt mit unserem Umfeld (auch wenn er dieser Tage vorwiegend digital stattfindet). In der innerlichen Isolation nimmt die Gefahr von irrationalem und angstgeleitetem Verhalten zu. Wenn wir hingegen verbunden bleiben, stärken wir uns und die anderen gleichermassen.
Ich habe das Privileg, in einem Quartier zu wohnen, in dem der Gemeinschaftssinn auch in guten Zeiten aktiv gepflegt wird. In den letzten Tagen wurde ein Unterstützungsangebot für die zahlreichen betagten Nachbarn organisiert, das in der Zwischenzeit auch angenommen wird. Dabei haben wir gemerkt, dass die täglichen Anrufe, um den Einkauf zu organisieren, vermutlich wichtiger sind, als der Einkauf selbst. Es gibt nicht nur, aber gerade auch ältere Menschen, die alleine leben und virtuell nicht so vernetzt sind wie wir. Sie sind dieser Tage besonders darauf angewiesen, mit jemandem kommunizieren zu können, der ihre Ängste ernst nimmt, aber nicht noch verstärkt.
Und was können Sie tun, um dem Virus Angst Einhalt zu gebieten, verbunden zu bleiben und einen Beitrag dafür zu leisten, die psychosozialen Folgen dieser Krise abzudämpfen?
Ich wünsche Ihnen viel Kraft, Zuversicht, Kreativität und eine grosse Portion Akzeptanz. Bleiben Sie gesund – physisch und psychisch!
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