Schulen strategisch führen
Die Unterscheidung von strategischer und operativer Führung hat sich in den letzten zehn bis zwanzig Jahren im Bildungswesen etabliert. Sie ist Teil der Professionalisierung der Schulführung und brachte eine Gewaltenteilung, die es vorher in dieser Form nicht gab. In der Praxis macht die Unterscheidung allerdings mehr Mühe, als die scheinbar klare Definition der Aufgaben von Schulbehörden und jener der Schulleitungen vorgibt.
Offenbar ist es nicht ganz einfach, alltagstaugliche Formen zu finden, um die beiden Rollen passend zu gestalten. Vor allem auf Seite der Behörden ist noch immer die Frage zu hören: «Was tun wir denn, wenn wir ausschliesslich strategisch tätig sind? Wir waren bislang sehr stolz darauf, eng mit der Basis zusammenzuarbeiten und wir schätzen flache Hierarchien.»
Wie lassen sich diese Schwierigkeiten erklären? Mögliche Hypothesen sind, dass sich operative und strategische Aufgaben gar nicht so eindeutig den Rollen zuordnen lassen. Schulbehörden haben auch operative Aufgaben, beispielsweise die Gestaltung der politischen Abläufe oder der Unterhalt der Infrastruktur. Umgekehrt prägen Schulleitungen mit der Erarbeitung von Schulprogramm und Konzepten die langfristige Ausrichtung einer Schule massgeblich mit.
Ein springender Punkt dürfte sein, dass die wesentlichen Richtungsentscheidungen im Bildungswesen auf kantonaler Ebene gefällt werden. Die Schulen sind in der Pflicht, diese Vorgaben umzusetzen. Die Schulgemeinden ihrerseits haben die Verantwortung, die dafür nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Der Gestaltungsraum ist wesentlich geringer, als es sich viele Behördenmitglieder wünschen oder bei ihrer Wahl vermutlich erhofft haben.
Die Rolle der Schulbehörde wird gerne mit jener eines Verwaltungsrats verglichen. Doch dieser Vergleich hinkt aus zwei Gründen. Mit dem Kanton gibt es im Bildungswesen eine übergeordnete Stelle, die wesentliche Vorgaben macht. Diese gibt es so nicht in der Privatwirtschaft. Firmen sind wesentlich freier und der Gestaltung ihrer Strategie. Darum kann man aus einem Gummistiefelhersteller einen Handyproduzenten machen. Die zentrale Aufgabe einer Schule ist nicht veränderbar. Verwaltungsräte werden meist auf Grund ihrer Fachkompetenz und Berufserfahrung in der entsprechenden Branche ernannt. Mitglieder von Schulbehörden sind politisch gewählt und repräsentieren die Bevölkerung. Ihr Fachwissen müssen sich die meisten über die Jahre im Rahmen ihrer Tätigkeit aneignen. Diese Ausgangslage lädt zu einer anderen Betrachtungsweise der Rolle einer Schulbehörde ein.
«Die Schulbehörde ist ein politisches Organ. Sie hat in einer professionelle Schulstruktur die Aufgabe, die Schulen in der Gemeinde oder der Stadt als Organisationen zu steuern und zu beaufsichtigen. Sie vertritt die Interessen der Bevölkerung und übernimmt die politische Verantwortung für die lokalen Schulen. Die Schulbehörde sorgt dafür, dass die Schule im Rahmen der übergeordneten Gesetzgebung zur Gemeinde oder Stadt passt.» (Huber 2019)
Dieser Ansatz lädt dazu ein, die Rolle einer Schulbehörde etwas anders zu definieren. Eine politisch tätige Behörde delegiert möglichst alle operativen Aufgaben konsequent an Schulleitungen, die Schulverwaltung oder einen Chef Hauswart, um nur die wichtigsten Funktionen in einer Schule zu nennen. Das führt zu einer sinnvollen Gewaltenteilung und das Vieraugenprinzip kann wirksam werden. Die Schulleitung bearbeitet ein Thema aus ihrer fachlichen Perspektive. Die Schulbehörde überprüft den Vorschlag politisch und stellt damit sicher, dass er zu den Bedürfnissen und Interessen der Bevölkerung passt. Vier (oder ein paar mehr) Augen sorgen dafür, dass das bestmögliche Ergebnis entsteht.
Wenn eine politische Behörde die operative Verantwortung mehrheitlich abgibt, muss sie etwas zurückerhalten, damit sie ihre politische Verantwortung angemessen wahrnehmen kann. Jedes Behördenmitglied soll jederzeit mit dem sicheren Gefühl im Dorf oder der Stadt unterwegs sein, über wesentliche Aspekte der Schule informiert zu sein. Dafür braucht es drei Bausteine in der Organisation.
- Als oberstes Führungsgremium muss die Schulbehörde informiert werden, wenn es im Alltag zu besonderen Vorkommnissen gekommen ist. Das gilt ganz besonders, wenn diese öffentlichkeitswirksam sind. Das bedeutet umgekehrt nicht, dass die Schulbehörde aktiv werden muss. Aber sie muss wissen, wer in der Verantwortung ist und wie das Problem angegangen wird.
- Als zweites muss die Schulbehörde die mittel- und langfristige Entwicklung der Schulen beobachten können. Beispielsweise: Wie entwickelt sich die Zufriedenheit der Mitarbeitenden? Oder wie ändern sich die Zuweisungen zu den sonderpädagogischen Maßnahmen? Wir Menschen sind relativ schlecht darin, schleichende Veränderungen zu sehen. Zahlen, Daten und Fakten, die über die Jahre erhoben werden, helfen Veränderungen zu erkennen. Die Schulleitung kommentiert diese und schafft damit eine Selbstbeschreibung. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse kann die Schulbehörde steuernd eingreifen. Sie entscheidet nun datenbasiert entlang ihrer politischen Absichten.
- Es braucht passende Zeitfenster, um sich mit dem Zustand der Organisation auseinanderzusetzen. Alltagsthemen sorgen, wegen ihrer Dringlichkeit, gerne dafür, dass grundsätzliche Fragen nicht bearbeitet werden (können). Der Blick aus der Adlerperspektive auf die Schule verlangt nach Arbeitsgefässen, während denen man sich nur mit dem Blick auf das grosse Ganze auseinandersetzt.
Die Aufteilung in politische und operative Aufgaben sorgt für eine gute Corporate Governance. Sie verhindert Rollenverflechtungen, schafft einen angemessenen Umgang mit Risiken (Vieraugenprinzip), ist transparent nach aussen und wahrt die Interessen aller Anspruchsgruppen. Eine gute Aufteilung der Rollen ist die Basis für eine verantwortungsvolle Schulführung.
Wer sich für das Thema interessiert, ist herzlich eingeladen zum Feierabendgespräch vom 17.09.19 um 18.30 Uhr in den Räumen der Concentria.
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